Sind wir noch bei Sinnen?
Veranstaltungsreihe
21.03.2024 – 11.03.2025
Jeweils 19:00 Uhr
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Leibniz-Saal
Markgrafenstraße 38
10117 Berlin
In einer Zeit, in der globale Herausforderungen wie Pandemien, Klimakrise und Konflikte unseren Alltag bestimmen, stehen wir vor der Frage: Wie beeinflussen diese Krisen unsere Wahrnehmung? Unsere Sinne öffnen uns die Türen zur Welt. Sie helfen uns, durch turbulente Zeiten zu steuern, sie zu verstehen und sogar zu meistern.
Die vierteilige Veranstaltungsreihe „Sind wir noch bei Sinnen?" lud dazu ein, die Rolle unserer Sinne – Hören, Sehen, Tasten, Riechen –in einer sich wandelnden Welt neu zu entdecken. In interdisziplinären Diskussionen mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Kunst wurden die Sinne beleuchtet und ihre Bedeutung für unsere Wahrnehmung und unser Zusammenleben reflektiert. Die Reihe wurde gemeinsam mit der Schering Stiftung veranstaltet.
Hören (21.03.2024)
Den Auftakt der Reihe bildete die Veranstaltung zum Thema „Hören". Musik und Klänge beeinflussen unser Wohlbefinden, wecken Emotionen und stärken unsere Verbundenheit zur Umwelt. Der Psychologe Prof. Dr. Claus-Christian Carbon, der Biologe Prof. Dr. Eckhard Friauf und die Künstlerin Annika Kahrs gaben Einblicke in die Bedeutung von Klängen aus wissenschaftlicher und künstlerischer Perspektive. Moderiert von Katja Weber (radioeins / rbb) wurde diskutiert, wie unser Gehirn Töne interpretiert und wie bewusste Klangwahrnehmung unsere Beziehung zur Natur und zu Mitmenschen beeinflussen kann.
Die Bedeutung von Klängen für das tägliche Leben wurde hervorgehoben. Das Hören dient nicht nur der Wahrnehmung, sondern beeinflusst auch emotionale Zustände und soziale Interaktionen. So wurde diskutiert, wie Alarmsignale unmittelbare Reaktionen hervorrufen, wie Mäuse durch akustische Reize bestimmte Verhaltensweisen entwickeln und wie Musik Emotionen weckt. Selbst das Fehlen eines musikalischen Verständnisses bei Giraffen war Teil des Diskurses.
Sehen (11.07.2024)
Im Sommer stand das „Sehen" im Mittelpunkt. Bilder von Krisen und Konflikten bestimmen unseren Alltag, doch wie beeinflussen sie unsere Wahrnehmung und Gefühle? Die Kunsthistorikerin Prof. Dr. Charlotte Klonk und der Schriftsteller Marcel Beyer erörterten, welche Macht Bilder haben und wie ihre bewusste Rezeption geschult werden kann. Moderiert von Stephanie Rohde (Deutschlandfunk) wurde herausgearbeitet, wie Bildnarrative unser Weltbild formen und welche Rolle das Erzählen spielt, um "stumme Zeugen" zum Sprechen zu bringen.
In diesem Kontext wurde auch die Rolle von Literatur in der medialen Verarbeitung von Kriegen beleuchtet. Marcel Beyer thematisierte in seinem jüngsten Werk (2023), wie Schreibende zwischen Fakten und Fiktion navigieren und inwieweit mediale Berichte die Wahrnehmung von Realität beeinflussen. Dabei stand die Frage im Raum, ob eine neutrale Berichterstattung ohne imaginäre Elemente möglich ist. Charlotte Klonk ergänzte diese Überlegungen mit ihrer Reflexion: „Häufig ist die Rede von der Macht der Bilder. Was an und in ihnen mächtig ist, wird aber in der Regel nicht erklärt. Bilder spielen immer dann eine große Rolle, wenn es um Ursachen und Wirkungen geht. Wenn aber Gründe verhandelt werden, und Gründe und Ursachen sind bekanntlich nicht dasselbe, dann kommen Bilder an ihre Grenzen."
Fühlen (19.11.2024)
Die dritte Veranstaltung widmete sich dem „Fühlen“ – einem Sinn, der tief in unserer Geschichte verankert ist und unser Verhalten maßgeblich prägt. Emotionen sind nicht nur individuelle Erlebnisse, sondern auch gesellschaftliche Konstrukte. Die Historikerin Prof. Dr. Ute Frevert erläuterte, dass Gefühle erst durch Sprache fassbar werden und somit zu historischen Artefakten: Sie verändern sich mit dem Wissen, das über sie zirkuliert. Der Psychologe Prof. Dr. Jakub Limanowski beleuchtete das „Fühlen“ aus neurokognitiver Perspektive und erklärte, dass es als privater Sinn die Grundlage unseres verkörperten Selbsterlebens bildet und gleichzeitig unser soziales Miteinander ermöglicht.
Die Künstlerin Leda Bourgogne brachte eine weitere spannende Perspektive ein. In ihren Arbeiten verweist sie sowohl buchstäblich als auch metaphorisch auf die Haut und untersucht, wie Lustempfinden, Schmerz und andere Affekte durch den Körper getragen werden und dabei mentale Formationen bilden. Die Diskussion verdeutlichte, dass das Fühlen nicht nur ein biologisches Phänomen ist, sondern tief mit Sprache, Kultur und sozialem Zusammenleben verwoben ist. Moderiert wurde der Abend von der Wissenschaftsjournalistin Julia Vismann.
Riechen (11.03.2025)
Den Abschluss bildete die Veranstaltung zum „Riechen". Gerüche beeinflussen unser Wohlbefinden, wecken Erinnerungen und prägen unser soziales Miteinander. Die Pandemie lenkte den Blick auf diesen oft unterschätzten Sinn, insbesondere durch den Verlust des Geruchssinns als COVID-19-Symptom. Die Duftforscherin und Künstlerin Sissel Tolaas, die Neurowissenschaftlerin Dr. Kathrin Ohla und der Geruchsforscher Prof. Dr. Dr. Hanns Hatt beleuchteten die Bedeutung dieses Sinnes in Wissenschaft und Kunst. Moderiert von Dr. Katja Naie (Schering Stiftung) wurde diskutiert, wie Gerüche unsere Weltwahrnehmung verändern und sogar zur Bewältigung von Krisen beitragen können.
Der Abend bot aufschlussreiche Informationen: u.a. das Riechen ist eng mit Emotionen und Erinnerungen verknüpft, der erste vollausgeprägte Sinn bei Embryonen ist der Geruchssinn und Kinder übernehmen die Essvorlieben der Mutter aus der Schwangerschaft. Daneben nahmen die Gäste auch vier sehr unterschiedlichen Gerüche, die Sissel Tolaas aus ihrem Geruchsarchiv mitgebracht hatte, wahr. Interaktiv durfte dann abgestimmt werden, welche Gefühle durch diese geweckt wurden: Energie, Wohlbefinden, Entspannung, Ekel oder Schutz. Das Ergebnis für Schweiß ist auf dem Bild links zu sehen.
Mit dieser spannenden Reise durch die Welt der Sinne bot die Veranstaltungsreihe „Sind wir noch bei Sinnen?" wertvolle Einblicke in die Mechanismen unserer Wahrnehmung und die Möglichkeiten, sie bewusster zu erleben.
Verpassen Sie keine Informationen mehr zu unseren Veranstaltungen - hier klicken und den Newsletter abonnieren!
Aktuelle Veranstaltungen
Jahresfeier der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste 2025
Düsseldorf | Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaft und Künste | 17:00 Uhr
Die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste lädt zu ihrer Jahresfeier ein mit der feierlichen Aufnahme der neuen Mitglieder und einem…
"Wir forschen. Für Sie." II: Wagnis der Öffentlichkeit. Jaspers und die Medien
Heidelberg | Heidelberger Akademie der Wissenschaften | 18:15 Uhr
Karl Jaspers (1883−1969) war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Nach seiner Promotion in Medizin und der Habilitation in Psychologie wurde er…
"Wir forschen. Für Sie." III: Vom Taishan zum Wutaishan: Wie der Buddhismus den Weg auf Chinas Heilige Berge fand
Heidelberg | Heidelberger Akademie der Wissenschaften | 18:15 Uhr
m 7. nachchristlichen Jahrhundert verlagerte sich das Zentrum der buddhistischen Welt vom alten Indien nach China. Der über 3.000 m hohe Wutaishan im Norden der Provinz Shanxi…
Kontakt
Dr. Annette Schaefgen
Leiterin Berliner Büro
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
030 / 325 98 73 70
annette.schaefgen@akademienunion.de