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Leitbild Digitale Transformation

 

für das Akademienprogramm – dem gemeinsamen Forschungsprogramm der deutschen Akademien der Wissenschaften

Rahmenbedingungen


Das Akademienprogramm ist ein international einzigartiges, etabliertes Forschungsprogramm, in dem das weltweite kulturelle Erbe auf höchstem Niveau erforscht und für gegenwärtige und zukünftige Generationen langfristig erschlossen und vermittelt wird.

Die Digitale Transformation bietet große Chancen, im Akademienprogramm partizipative Zugänge zu Kultur, Sprache und Wissen zu realisieren und kulturelle Artefakte und Wissensträger digital zu bewahren. Damit wird eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für Analysen und Reflexionen zu historischen wie gegenwärtigen Gesellschaften und kulturellen Identitäten gelegt.

Die Forschungsvorhaben der Akademien leisten vielfach Pionierarbeit in der digitalen geisteswissenschaftlichen Grundlagenforschung. Mit dem Akademienprogramm verfügt die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften somit über eine ausgezeichnete Basis, um die Digitale Transformation nachhaltig mitzugestalten. Durch den Einsatz digitaler Methoden, Technologien und Werkzeuge zur Erforschung und Bewahrung des kulturellen Erbes können die mit dem Transformationsprozess verbundenen Dynamiken, aber auch die Kontinuitäten in langfristiger Perspektive eingeordnet werden. Dies trägt zu einem besseren Verständnis der tiefgreifenden Auswirkungen der Digitalen Transformation auf Wissenschaft, Politik und Gesellschaft bei.
 

Leitbild Digitale Transformation (PDF)

Definition


In Übereinstimmung mit den von der DFG definierten drei Typen des digitalen Wandels in den Wissenschaften (DFG 2020) verstehen wir unter „Digitaler Transformation” alle Prozesse der Nutzung digitaler Methoden und Technologien, die sich in transformativer, ermöglichender oder substituierender Form auf existierende Forschungspraktiken im Akademienprogramm auswirken und Veränderungen auf epistemischer, organisatorischer, infrastruktureller und sozialer Ebene bewirken.


Vision


Als Union, Akademien und Forschende im Akademienprogramm schaffen wir gemeinsam eine vernetzte digitale Wissensinfrastruktur für die Erforschung, Bewahrung, und Vermittlung des weltweiten kulturellen Erbes. In sie integrieren wir wertvolle kulturelle Ressourcen unter Verwendung digitaler Methoden und Technologien. Alle Erkenntnisse machen wir im kontinuierlichen Dialog mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft offen und nachhaltig verfügbar. Damit leisten wir einen wesentlichen Beitrag zur Beantwortung von langfristigen kulturellen und gesellschaftlichen Fragen.

 

Ziele

Zur Realisierung unserer Vision formulieren wir sieben Ziele für die erfolgreiche Digitale Transformation im Akademienprogramm:

1. Forschungsmehrwert: Exzellente Qualität der Forschung im Akademienprogramm durch digitale Methoden und Technologien stärken

2. Zukunftsfähigkeit: Digitale Nachhaltigkeit und langfristige Interoperabilität von Forschungsdaten und Standards im Akademienprogramm gewährleisten

3. Konvergenz: Infrastrukturelle Föderation und projektübergreifenden Transfer digitaler Verfahren im Akademienprogramm sicherstellen

4. Anerkennung: Arbeit an und mit Forschungssoftware und Forschungsdaten im Akademienprogramm wertschätzen

5. Kompetenz: Digitale Expertise bei Forschenden aller Karrierestufen im Akademienprogramm aufbauen

6. Transparenz: Sichtbarkeit digitaler Forschungsergebnisse aus dem Akademienprogramm auf nationaler und internationaler Ebene erhöhen

7. Partizipation: Gesellschaftliche Teilhabe an und Interaktion mit digitaler Forschung im Akademienprogramm ermöglichen


Handlungsebenen


Die Umsetzung unserer Ziele streben wir auf drei miteinander verschränkten Handlungsebenen an: auf Ebene der Union, auf Ebene der Akademien und auf Ebene der Forschenden im Akademienprogramm.

1. Forschungsmehrwert: Exzellente Qualität der Forschung im Akademienprogramm durch digitale Methoden und Technologien stärken

Ob text- und sprachbasierte Gegenstände (z. B. Handschriften, Codices, Inschriften, Papyri, Urkunden, Reden, Akten), materielle Objekte (prähistorische Bronze- oder Keramikfunde, antike Fundmünzen und Siegel, mittelalterliche Glas- oder barocke Deckenmalerei) oder immaterielle Kulturgüter (Musik, Theater und Tanz) – die Projekte des Akademienprogramms sind internationale Kompetenzknoten für vielfältige Forschungsthemen. Aus der Vielseitigkeit der Gegenstände ergibt sich ein hohes Erkenntnispotenzial bei der Anwendung digitaler Methoden und darauf aufbauender innovativer Forschungsfragen. Die Integration neuester Verfahren der Künstlichen Intelligenz (z. B. zur Handschriften- oder Notenerkennung in Editionsvorhaben), Computer Vision (z. B. zur Bildsegmentierung und Merkmalserkennung in kunsthistorischen Korpora), Graphen und Netzwerke (z. B. zur Verknüpfung und Analyse von Sprach- und Wissensnetzen in Wörterbüchern und Textsammlungen) stärkt die Forschungsleistung der Projekte, trägt zur langfristigen Reife der Technologien bei und er-zeugt Mehrwerte für die auf dem Akademienprogramm aufbauende Forschung.

In der Union setzen wir Anreize für technologische Innovationen bei (Neu)Anträgen im Akademienprogramm und entwickeln ausgewogene Kriterien für deren Begutachtung und Förderung unter Einbeziehung des jeweiligen Stands der Technik. In den Akademien sichern wir die Qualität der in den Vorhaben angewendeten digitalen Methoden und Technologien bereits in der Antragsphase und fördern deren innovative Weiterentwicklung. Auf Ebene der Forschenden zeigen wir uns offen für neue digitale Forschungsmethoden und integrieren diese aktiv in unsere Forschungsarbeit.

2. Zukunftsfähigkeit: Digitale Nachhaltigkeit und langfristige Interoperabilität von Forschungsdaten und Standards im Akademienprogramm gewährleisten

In den Projekten des Akademienprogramms entstehen über lange Zeiträume hinweg quantitativ wie qualitativ wertvolle Forschungsdaten. Diese Daten, aber auch die mit ihnen verbundenen Standards bilden die Basis für die darauf aufbauende geistes- und kulturwissen-schaftliche Forschung. Insbesondere in kleinen Fächern wie z. B. der Ägyptologie, Hethitologie, aber auch in den Philologien, der Sprach- oder der Musikwissenschaft ist eine weiterführende Forschung ohne die im Akademienprogramm erarbeiteten Datenkorpora kaum möglich. Die gegenstandsadäquate Anwendung und Weiterentwicklung geistes- und kulturwissenschaftlicher Datenstandards (wie z. B. TEI, MEI, LIDO, CIDOC etc.) und die langfristige Bereitstellung der Daten in fachlich geeigneten Repositorien ist daher von besonderer Priorität.

Als Union und Akademien beteiligten wir uns in tragenden Rollen am Aufbau der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) und übernehmen in den Konsortien NFDI4Culture, NFDI4Memory, NFDI4Objects und Text+ dauerhaft Verantwortung für die Integration von Forschungsdaten aus allen Datendomänen des Akademienprogramms entlang der FAIR- und CARE-Kriterien. Für Daten, die aus ethischen oder rechtlichen Gründen (noch) nicht vollständig offen publiziert werden können, entwickeln wir flexibel skalierbare Zugangslösungen.

3. Konvergenz: Infrastrukturelle Föderation und projektübergreifenden Transfer digitaler Verfahren im Akademienprogramm sicherstellen

Die mehr als 120 Projekte des Akademienprogramms erarbeiten ihre Forschungsergebnisse in über 180 Arbeitsstellen in ganz Deutschland. Diese Dezentralität ist eine große Stärke, denn die Vorhaben können auf optimale fachliche Strukturen an ihren universitären oder außeruniversitären Standorten zurückgreifen. Gleichzeitig wirken sie dort als langfristige Katalysatoren für bestimmte Forschungsthemen. Dabei profitieren sie einerseits von gegebenen wissenschaftlichen Infrastrukturen vor Ort, andererseits haben Union und Akademien übergreifende Forschungswerkzeuge und Informationsinfrastrukturen geschaffen, die durch die DH-Forschungsabteilungen konzipiert und realisiert werden. In Kombination mit Transferformaten wie z. B. dem Akademientag und den Workshops der AG eHumanities existieren sehr gute Voraussetzungen, um die gemeinsame Vision einer vernetzten digitalen Wissensinfrastruktur für das Akademienprogramm zu realisieren.

Der Empfehlung des Rates für Informationsinfrastrukturen zur „Erzeugung eines höchstmöglichen Grades an Konvergenz im Interesse einer möglichst barrierefreien forschenden Nutzung” folgend (RFII 2022), stellen wir im Zusammenspiel zwischen Union, Akademien und den Partnern in den geistes- und kulturwissenschaftlichen NFDI-Konsortien die gegenseitige Nutzung und Weiterentwicklung digitaler Forschungswerkzeuge und die Föderation von Informationsinfrastrukturen sicher. Dies schließt eine Reflexion von Gesichtspunkten der ökologischen Nachhaltigkeit von Infrastrukturen mit ein. Die Nachnutzung gemeinsamer Soft- und Hardwarelösungen initiieren wir bereits in der Antragsphase. Auf Ebene der Forschenden unterstützen wir den projektübergreifenden Technologie- und Wissenstransfer im Akademienprogramm durch die regelmäßige Teilnahme an den Transferformaten von Union und Akademien.

4. Anerkennung: Arbeit an und mit Forschungssoftware und Forschungsdaten im Akademienprogramm wertschätzen

Sowohl in den Projekten des Akademienprogramms als auch den DH-Forschungsabteilungen der Akademien entstehen Daten und Softwareprodukte, die keineswegs nur Zwischenprodukte für die eigentlichen Projektergebnisse sind (vgl. die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur datenintensiven Forschung). Forschungssoftware ist heute Teil der strategischen Infrastruktur, mit der Wissen aus Daten überhaupt erst gewonnen werden kann. Der Kulturwandel hin zu neuen Reputationssystemen für die Arbeit mit Forschungsdaten und Forschungssoftware hat in allen Wissenschaftsorganisationen Fuß gefasst. Auch in den Konsortien und Sektionen der NFDI sowie in Interessenvertretungen wie der Deutschen Vereinigung der Research Software Engineers (DE-RSE) wird er aktiv befördert. Die Verantwortung für die technologische Nachhaltigkeit von Forschungssoftware und die qualitätsorientierte Kuratierung von Forschungsdaten stellen mit Blick auf die Langfristigkeit der Projekte unverzichtbare und wertzuschätzende Bestandteile für deren wissenschaftlichen Erfolg dar.

Auf Ebene von Union, Akademien und als Projektleitende fördern wir aktiv den Wandel hin zu einer wissenschaftlichen Software- und Datenkultur im Akademienprogramm. Dies beinhaltet die Qualifizierung des wissenschaftlichen Personals ebenso wie die Gewährung von Zeit und Ressourcen für die Arbeit an der wissenschaftlichen Veröffentlichung von Forschungssoftware, die Möglichkeit zur Mitwirkung in Standardisierungsinitiativen und die Förderung und Anerkennung von Datenpublikationen als Teil der wissenschaftlichen Leistung eines Projektes. Als Forschende arbeiten wir Hand in Hand mit Softwarentwickler/innen und Datenkuratierenden an gemeinsamen Publikationen mit einer klar ausgewiesenen Kenntlichmachung der Beiträge aller Beteiligten.

5. Kompetenz: Digitale Expertise bei Forschenden aller Karrierestufen im Akademienprogramm aufbauen

Für die Erforschung und digitale Erschließung der vielseitigen Gegenstände im Akademienprogramm wird ein breites Spektrum an Digitalkompetenzen bei Forschenden aller Karrierestufen benötigt. Dies reicht von der Planung der einzusetzenden Technologien und Verfahren in der Antragsphase über Fähigkeiten im kollaborativen digitalen Projektmanagement bis hin zur Anwendung von Methoden und Algorithmen zur Digitalisierung, Datenmodellierung, -anreicherung, -analyse, und -auswertung. Besonders relevant sind dabei Kenntnisse der ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen im Umgang mit Forschungsdaten und Forschungssoftware und eine kontinuierliche Reflexion der digitalen Forschungspraxis mit Blick auf die erzielten Projektergebnisse.

Auf Ebene der Union werden wir die bereits existierenden Formate der AG eHumanities zum Aufbau digitaler Kompetenzen in den Vorhaben systematisch weiter ausbauen und mit den Austausch- und Trainingsformaten der NFDI vernetzen. In den Akademien stellen wir Teilnahmemöglichkeiten für Mitarbeitende an Lehrangeboten und Schulungen in den Bereichen Digital Humanities, Data Science und Informatik sicher. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs entwickeln wir spezifische Formate zur Steigerung der Digitalkompetenz, etwa durch Praktika, Trainee-Programme und intensivierte Kooperationen mit DH-Professuren und DH-Studiengängen. Als Forschende nehmen wir diese Angebote wahr und beteiligen uns aktiv am Aufbau digitaler Kompetenzen in der Akademienforschung.

6. Transparenz: Sichtbarkeit digitaler Forschungsergebnisse aus dem Akademienprogramm auf nationaler und internationaler Ebene erhöhen

Die Vorhaben des Akademienprogramms besitzen in ihren spezifischen Forschungsfeldern bereits jetzt eine hohe internationale Sichtbarkeit. In vielen Fällen bieten die Akademien und ihre Projekte Informationsinfrastrukturen und -dienste von hoher Relevanz für ganze Fachgemeinschaften an. Zur Verbesserung der Transparenz und Reproduzierbarkeit der Forschungsergebnisse im Akademienprogramm müssen alle Forschungsdaten und die mit ihnen verbundenen Erzeugungsweisen, Modellierungs-, Verarbeitungs- und Auswertungsschritte entlang gemeinsamer Standards und Schnittstellen in einer digitalen Wissensinfrastruktur föderiert und damit die Sichtbarkeit der Akademienforschung insgesamt jenseits spezifischer fachlicher Bezüge erhöht werden.

Auf Ebene der Union bauen wir existierende Informationsinfrastrukturen wie z. B. AGATE weiter aus und speisen die dort erfassten Forschungsinformationen in nationale und internationale Forschungsinfrastrukturen wie z. B. die DDB, die NFDI und die EOSC ein. Auf Ebene der Akademien sorgen wir für eine noch effizientere Nutzung und Weiterentwicklung gemeinsamer Forschungsinfrastrukturen und entwickeln Best Practices zur Steigerung der Sichtbarkeit der in den Projekten entstehenden Forschungsdaten und -ergebnisse. Als Forschende achten wir auf eine konsequente Dokumentation und den größtmöglichen Einsatz von Standards in der digitalen Projektarbeit.

7. Partizipation: Gesellschaftliche Teilhabe an und Interaktion mit digitaler Forschung im Akademienprogramm ermöglichen

Das Akademienprogramm bietet grundlegende Zugänge zu Kultur, Sprache und Wissen. Wenn in den Konzerthäusern weltweit Werke von Beethoven, Wagner oder Strauss gespielt werden, erklingen die Werkeditionen aus den Vorhaben des Akademienprogramms. Wer sich zur deutschen Sprache informieren oder etwas über den eigenen Familiennamen lernen möchte, greift auf die im Akademienprogramm erarbeiteten digitalen Wörterbücher zurück. Die Transformation des Akademienprogramms hin zu einer vernetzten digitalen Wissensinfrastruktur ermöglicht innovative Wege der gesellschaftlichen Teilhabe an den dort verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen und kulturellen Ressourcen. In Verbindung mit neuen Formaten der Wissenschaftskommunikation entsteht eine gesicherte Grundlage für kulturelle und gesellschaftliche Debatten in einer Zeit zunehmender medialer Desinformation und Propaganda.

Als Union, Akademien und Forschende im Akademienprogramm bekennen wir uns in diesem Leitbild zu den von der UNESCO empfohlenen Grundprinzipien der Offenen Wissenschaft (Open Science). Wo immer anwendbar ermöglichen wir den freien Zugang zu und die gesellschaftliche Teilhabe an Veröffentlichungen, Forschungsdaten, Metadaten und Forschungssoftware unter Lizenzen, die den Zugang, die Nachnutzung, die Anpassung und die Verbreitung der wissenschaftlichen Ressourcen, Erkenntnisse und Ergebnisse aus dem Akademienprogramm unter klar definierten Kriterien erlauben.

 


Zu Hintergrund und Entstehung des Leitbilds

Die Akademienunion ist der Zusammenschluss von acht deutschen Wissenschaftsakademien. Insgesamt sind in den Mitgliedsakademien mehr als 2.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen vereint, die zu den national und international herausragenden Vertreterinnen und Vertretern ihrer Disziplinen gehören. Gemeinsam engagieren sie sich für wissenschaftlichen Austausch, Sicherung der wissenschaftlichen Exzellenz und Nachwuchsförderung.

Mit diesem Leitbild legt die Akademienunion ihre Vision und Ziele für eine erfolgreiche Digitale Transformation des Akademienprogramms fest. Das Leitbild wurde durch eine Arbeitsgruppe der AG eHumanities in engem Austausch mit dem Präsidium erarbeitet und im Dialog mit Expertinnen und Experten der Wissenschaftlichen Kommission validiert. Vision, Ziele und Handlungsebenen dieses Leitbilds werden in regelmäßigen Abständen überprüft und kontinuierlich an neue Entwicklungen im Voranschreiten des digitalen Wandels angepasst.

Kontakt

Geschäftsstelle Mainz
06131 / 218 528 10

geschaeftsstelle@akademienunion.de

 

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030 / 325 98 73 71

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