Abschied vom Kontinent? Der Brexit aus historischer und aktueller Perspektive
03.05.2018
Berlin
19:00 Uhr
Es diskutierten:
Prof. Dr. Ulrike Guérot
Donau-Universität KremsProf. i. R. Dr. Christopher Harvie
Universität TübingenProf. Dr. Christina von Hodenberg
Queen Mary University of LondonProf. Dr. Brendan Simms
University of CambridgeProf. i. R. Dr. jur. Dr. h. c. Christian Tomuschat
Berlin-Brandenburgische Akademie der WissenschaftenModeration: Patrick Bahners
Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Unsere Isolation ist keine Isolation der Schwäche oder einer Selbstverachtung: sie ist bewusst gewählt; die Freiheit, so zu handeln, wie wir es wünschen, unter welchen Umständen auch immer“, sagte der britische First Lord of the Admiralty, Viscount Goschen, in einer Rede 1896. Seine Worte klingen erstaunlich aktuell. Im Frühsommer 2016 entschlossen sich die Briten per Referendum aus der Europäischen Union auszutreten. Am 29. März 2019 wird Großbritannien aller Voraussicht nach diesen Austritt vollziehen.
Die Geschichte der Beziehungen Großbritanniens zum europäischen Festland ist eine ambivalente. In ihrer „Splendid Isolation“ hielt sich „die Insel“ lange aus europäischen Angelegenheiten heraus. Im 19. Jahrhundert war Großbritannien eine globale Macht geworden, deren Kolonien über mehrere Kontinente verteilt waren. In Bezug auf Europa war Großbritannien vor allem an einem Gleichgewicht der Mächte auf dem Kontinent interessiert. Dies änderte sich spätestens mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Winston Churchill forderte angesichts der Lage in Europa 1946 eine „Art Vereinigte Staaten von Europa“. Ein Beitrittsgesuch der Briten in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft lehnte Frankreich 1961 ab. Der französische Präsident Charles de Gaulle warf den Briten vor, sie hätten eine tiefsitzende Feindschaft gegenüber dem europäischen Aufbau und seien mehr an Beziehungen mit den USA interessiert. 1973 trat Großbritannien jedoch schließlich der Europäischen Wirtschafts-gemeinschaft bei – eine weitere ambivalente Beziehung begann. Ob Margaret Thatcher, die 1984 in Richtung Brüssel forderte „We want our money back!“ oder Nigel Farage, der mit seiner EU-skeptischen UK Independence Partei seit 2004 im europäischen Parlament sitzt, bis hin zum Referendum, in dem 51,9 Prozent der Wähler für einen Austritt Großbritanniens aus der EU stimmten – „Europa ist ein toxisches Thema für die britische Politik“, sagte der britische Historiker Vernon Bogdanor 2014 der BBC.
Was bedeutet es für Großbritannien, wenn es im Frühjahr 2019 zu seiner „wunderbaren Isolation“ zurückkehrt? Handelt es sich um eine Rückkehr oder einen Aufbruch zu neuen Ufern? Welche Rolle spielt die Idee der „Splendid Isolation“ für die Identität der Briten? Wie nehmen andere Länder den Brexit und die Briten wahr? Wie wichtig ist der Gegensatz zwischen Souveränität und Supranationalität und trifft dieser Gegensatz auch auf andere Länder zu? Warum sind die Beziehungen zwischen Großbritannien und den „Ländern auf dem Kontinent“ so schwierig? Und wie werden die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Verenigten Königreich sowie Irland aussehen? Wie stark wirkt sich der Brexit auf den Zusammenhalt oder die Uneinigkeit in der EU und in Großbritannien aus? Welche Verwerfungen zeichnen sich in den Brexit-Verhandlungen bereits ab?
Die Diskussion war Teil der Tagung "Splendid Isolation? Insularity in British History" des Arbeitskreises Großbritannien-Forschung und des Deutschen Historischen Instituts London. Die Tagung findet vom 4. bis 5. Mai am Großbritannienzentrum der Humboldt-Universität zu Berlin statt und wird von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert.
Ort: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Leibniz-Saal, Eingang: Markgrafenstr. 38, 10117 Berlin
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