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Sozial- und Kulturwissenschaften
Wissenschaftspolitik
02.06.2023

Antisemitismus - Geschichte, Hintergründe, Auswirkungen

Nicht erst seit der NS-Zeit, sondern bereits seit der Antike ist Judenfeindlichkeit weit verbreitet. Juden als "die Anderen", die Teil der Gesellschaft waren, sich aber durch ihre Gepflogenheiten auch stark unterschieden, wurden kritisch beobachtet, erschienen aber teils auch attraktiv, so Dr. Adam Gitner vom Thesaurus linguae latinae der BAdW. Der römische Staat versuchte, dem durch diskriminierende Maßnahmen entgegenzuwirken.

Im Mittelalter herrschten sowohl Antijudaismus - die religiös geprägte Judenfeindlichkeit - als auch Antisemitismus vor, wie sich beispielhaft an den Quellen der BAdW-Projekte Repertorium Geschichtsquellen des MittelaltersÖsterreichischer Bibelübersetzer. Gottes Wort deutsch und Herausgabe der Urkunden Kaiser Friedrichs II. zeigen lässt. Auch Verschwörungsmythen wie die Ritualmord-Beschuldigung, der angebliche Hostienfrevel oder der Vorwurf der Brunnenvergiftung grassierten im Mittelalter und setzen sich bis heute fort, etwa in der QAnon-Bewegung oder im Kontext der Corona-Pandemie. Der große Reformator Martin Luther versuchte erst, Jüdinnen und Juden durch christliche Nächstenliebe für sein erneuertes Christentum zu gewinnen. Als das nicht gelang, schlug diese Haltung allerdings um.

Im 18. Jahrhundert waren Jüdinnen und Juden von der Mehrheitsgesellschaft ausgeschlossen, durften keine Christen heiraten, Grund und Boden besitzen oder Handwerkszünften angehören. Das stärkte immerhin teils den inneren Zusammenhalt - Zeugnisse dieses kulturell regen jüdischen Lebens im vorindustriellen Bayern erforscht die Ad hoc-AG "Judentum in Bayern" der BAdW - der soziale Aufstieg einiger weniger bei gleichzeitiger Verarmung eines Großteils der Jüdinnen und Juden führte allerdings auch zu einem Bruch. Mit der Französischen Revolution erhielten sie endlich volle Bürgerrechte, verloren aber auch jegliche Sonderrechte.

Im 19. Jahrhundert verschärfte die Industrialisierung die Judenfeindlichkeit, besonders unter denjenigen, die nicht denselben sozialen Aufstieg erfuhren wie viele Jüdinnen und Juden. Sie war entsprechend nun weniger religiös geprägt. Das bekannteste Feindbild wurde dabei - und bleibt es bis heute - die Familie Rothschild.

Im 20. Jahrhundert nahm der rassistische - nicht mehr religiös motivierte - Antisemitismus weiter zu. Verschwörungsmythen wie die zu den "Protokollen der Weisen von Zion" dienten den Nationalsozialisten als Bestätigung und auch in der Zivilbevölkerung stieg der Antisemitismus schon im und insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg exponentiell an und der Antisemitismus kulminierte letztendlich im Holocaust.

Und heute? Es gibt, wider Erwarten, wieder ein reiches jüdisches Leben in Deutschland. Aber wo liegen Versäumnisse in der deutschen Erinnerungskultur, wenn sich heute auf Anti-Corona-Demonstrationen Menschen mit Widerstandskämpferinnen oder Opfern des Holocaust vergleichen? Wie blicken Jüdinnen und Juden im Vergleich zur deutsche Mehrheitsgesellschaft auf die Geschichte? Inwiefern spielt israelbezogener Antisemitismus eine Rolle - gerade wieder in der Debatte rund um den Musiker Roger Waters aktuell - oder ist Antisemitismus hauptsächlich ein originär deutsches Problem? Und wie groß ist die Bedrohungslage für Jüdinnen und Juden, zwischen Online-Hass und Hetze und Attentaten wie in Halle 2019? 


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