
Kurz nachgefragt... bei Prof. Dr. Irene Dingel
Oktober 2020
Prof. Dr. Irene Dingel ist Direktorin der Abteilung für Abendländische Religionsgeschichte des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte, Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz und seit Juni diesen Jahres auch die Vorsitzende der Wissenschaftlichen Kommission der Akademienunion. In dieser Rolle leitet sie das zentrale Beratungs- und Empfehlungsgremium, das für alle wissenschaftlichen Fragen rund um das Akademienprogramm, dem gemeinsamen Forschungsprogramm der acht deutschen Wissenschaftsakademien, zuständig ist.
Das Akademienprogramm hat im vergangenen Jahr sein 40-jähriges Jubiläum gefeiert – was kennzeichnet das gemeinsame Forschungsprogramm der Wissenschaftsakademien und welche Rolle hat die Wissenschaftliche Kommission dabei?
Das Akademienprogramm ist ein einzigartiges Förderinstrument von herausragender Bedeutung. Es ist in seiner Ausrichtung auf die historisch arbeitenden Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften von hoher Effektivität und genießt internationale Anerkennung. Durch die Langzeitförderung von bis zu 25 Jahren haben die in das Akademienprogramm aufgenommenen Projekte die Möglichkeit, Forschungsperspektiven zu bearbeiten, die auf die Erschließung, Bewahrung, kritische Deutung und wissenschaftliche Vermittlung dessen zielen, was man als transnationales kulturelles Erbe bezeichnen könnte. Dies geschieht natürlich stets in Konzentration auf ausgewählte Elemente bzw. Quellencorpora, die ihren Ursprung in allen Epochen und auf allen Kontinenten haben können. Die entscheidende Rolle der Wissenschaftlichen Kommission liegt in der konkreten Ausgestaltung dieses Programms. Denn sie wählt in einem unabhängigen und kompetitiven Verfahren jene Projekte aus, die der Union der Akademien und der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern zur Förderung vorgeschlagen werden. Die Kommission sorgt zudem für eine kontinuierliche Qualitätssicherung, indem sie regelmäßige Durchführungskontrollen und Evaluationen der Projekte des Akademienprogramms veranlasst und so eine belastbare Grundlage für effektive Langzeitförderung und erfolgreiche Abschlüsse schafft. Zudem berät sie die Akademienunion in allen wissenschaftsbezogenen Fragen.
Der Wissenschaftsrat hat das Akademienprogramm 2019 evaluiert – wo liegen aus Sicht der Wissenschaftlichen Kommission die größten Herausforderungen, die sich aus den Empfehlungen des Wissenschaftsrats ergeben?
Zunächst muss man festhalten, dass der Wissenschaftsrat das Akademienprogramm in seiner Anlage und Ausrichtung in jeder Hinsicht bestätigt hat. Seine Empfehlungen zielen auf eine weitere Stärkung des Programms. Herausforderungen begegnen an den Stellen, an denen die Empfehlungen – über das Akademienprogramm als solches hinausgehend – die Träger dieses Programms, nämlich die Akademien bzw. die Akademienunion selbst ansprechen. Das betrifft z.B. das Problem einer alle gleichermaßen einbeziehenden Digitalisierung oder auch die Frage einer effektiven Wissenschaftskommunikation im Sinne eines öffentlichkeitswirksamen Forschungstransfers. Hier haben die Einzelakademien, jede für sich, durchaus beachtliche Stärken, die aber in den verschiedenen Akademien verständlicherweise sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können.
Welche Perspektiven wünschen Sie sich für das Akademienprogramm und welche Voraussetzungen wären daran geknüpft, damit sich diese erfüllen?
Das Akademienprogramm versammelt exzellente und innovative Forschungsprojekte, die in den letzten Jahren aufgrund ihrer hohen digitalen Standards eine regelrechte Schrittmacherfunktion in den Geisteswissenschaften gewonnen haben. Außerdem sind Strategien der Nachwuchsförderung und Chancengleichheit weitere wichtige Elemente der Projekte des Programms. Diese Komponenten – wissenschaftliche Exzellenz, digitale Qualität, Nachwuchsförderung und Chancengleichheit – sind grundlegend für die Zukunftsfähigkeit des Akademienprogramms generell. Dieses einzigartige Programm ist jedoch nur dann nachhaltig abgesichert, wenn seine finanziellen Mittel garantiert sind und es regelmäßige Aufwüchse einkalkulieren kann. Dass das Akademienprogramm noch attraktiver wird, seine international hohe Anerkennung und transnationale Bedeutung weiter anwachsen und seine thematische Vielfalt und disziplinäre Offenheit erhalten bleiben – dies wünsche ich mir für die Zukunft.
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Dr. Annette Schaefgen
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