Zum Hauptinhalt springen
Ein Mann
Kurzinterview

Kurz nachgefragt... bei Prof. Dr. Christoph Markschies

April 2025: Pressemitteilung zum neuen Führungsteam

Der Historiker und evangelische Theologe Prof. Dr. Christoph Markschies leitet als Präsident bereits seit 2022 die Akademienunion und seit 2020 die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Durch seine aktuelle Wiederwahl steht er für weitere vier Jahre an der Spitze des Zusammenschlusses von acht Wissenschaftsakademien. Gemeinsam mit den Vizepräsidenten Reiner Anderl (Präsident der AdWL | Mainz) und dem ebenso neu gewählten Hans-Georg Kräusslich Präsident der (HAdW) sowie mit Irene Dingel als Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission bildet er den neuen Vorstand der Akademienunion.

Drei Jahre Akademienunion – wie war’s? Gesamtpolitisch betrachtet, waren diese Jahre sehr bewegt und haben uns gesamtgesellschaftlich, aber auch in der Wissenschaft und Forschung vor viele Herausforderungen gestellt. 

Mir haben die drei Jahre der Präsidentschaft in der Akademienunion großes Vergnügen gemacht, obwohl ich mich angesichts der multiplen Krisen dieser Welt fast scheue, das so zu sagen. Aber die heitere und konstruktive Zusammenarbeit mit Irene Dingel, Reiner Anderl und Daniel Göske im Vorstand sowie mit Präsidentin Julia Bolles-Wilson und den anderen Präsidenten im Präsidium, mit den herausragenden Mitarbeitenden der Geschäftsstelle unter Generalsekretär Mirko Schadewald und den Geschäftsführenden der Akademien hat oft sehr viel Vergnügen gemacht. Gleiches kann ich sagen von den Kolleginnen und Kollegen in der Allianz, alle miteinander, mit Ministerinnen und Ministern, aber auch ihren nachgeordneten Mitarbeitenden. Im deutschen Wissenschaftssystem gibt es viel konstruktive Zusammenarbeit und hinter den Kulissen sogar auch viel parteiübergreifende Unterstützung. Mir fällt schwer, aus dieser Schar einen einzelnen oder eine einzelne herauszugreifen, aber ich bin sehr, sehr dankbar für die konstruktive, ehrliche und anregende Kooperation. Sonst hätten wir weder die vielen Reformschritte im Blick auf die Akademienunion noch neue Formate wie „Wissenschaft und ich?!“, unser Marktplatzformat gemeinsam mit DFG und HRK, angehen können. Es ist uns gelungen, die Finanzierungsbasis zu verstärken und die Akademieunion wie auch die in ihr zusammengeschlossenen Akademien bekannter zu machen. Und es gab immer wieder wunderschöne Überraschungen in den vergangenen drei Jahren – da brach eine Koalition zusammen und geschäftsführend übernahmen ein längst pensionierter Staatssekretär und ein Minister im Nebenamt ohne Bezahlung das BMBF und alles lief so gut wie seit langem nicht mehr. Eine herrliche Belohnung für mancherlei Mühe in der Schlussphase meiner ersten Amtszeit.

Wissenschaft und Ich?!

2024 waren Sie mit „Wissenschaft und Ich?!“ auf den Marktplätzen in der gesamten bundesdeutschen Republik unterwegs. Wohin geht es in Ihrer zweiten Amtszeit?

Weiter auf die Marktplätze, natürlich. Man kann ja nicht wollen, dass wir als Wissenschaft in den Akademien tatenlos hinnehmen, wie viele Menschen in unserem Land Angst vor der Zukunft haben und der Wissenschaft keine Antworten auf ihre Fragen zutrauen. Dazu haben Akademien viele Formate, Stellungnahmen, Akademientage und anderes mehr. Und eben unser Marktplatzformat. Dann werden wir die nächsten drei Jahren hoffentlich nutzen können, Akademien als wendige kleine Boote zwischen den vielen recht schwerfälligen Dickschiffen im Wissenschaftssystem zu profilieren – wir haben mehr Freiheit als viele, sind vielleicht sogar die freiesten Institutionen im deutschen System. Freiheit verpflichtet aber auch, in den Formen der Institutionalität, den zugrundeliegenden Ideen von Wissenschaft, ihren Zielen und Methodiken und beim Transfer wie bei anderen Aushandlungsprozessen mit der Öffentlichkeit nicht kalten Kaffee zu bieten. Akademie, so hat Wilhelm von Humboldt das formuliert, ist der Ort, wo nur Neues gedacht werden darf, was anderswo nicht schon gedacht wurde. Wenn uns die Sammlung, Herausgabe und Präsentation des maßstabsetzenden kulturellen Erbes anvertraut ist, haben wir dazu noch die schöne Herausforderung, hier weder in der Strategie noch in der Applikation für heute altbacken zu sein. 

Biographie Hans-Georg Kräusslich

Mit Ihrer Wiederwahl wurde auch ein neuer Vizepräsident, Mediziner Hans-Georg Kräusslich, in den Vorstand der Akademienunion gewählt. Was erwarten Sie von der neuen Zusammensetzung? 

Seit meiner Zeit als Fellow des Wissenschaftskollegs in Berlin freue ich mich als Historiker und Theologe über die enge Zusammenarbeit mit der Medizin – die da Forschenden wissen sehr viel über den Menschen, das uns schon aus Gründen der Ausbildung verborgen ist. Insofern freue ich mich auf engere Kooperation mit Hans-Georg Kräusslich, Vizepräsident der Akademienunion und vom Fachgebiet her Virologe. Aber man darf natürlich nicht die beliebten Schlagworte von der Interdisziplinarität und Transdisziplinarität auch nicht nur wie eine Monstranz vor sich hertragen. Nur, weil in Akademien ein Mediziner neben einem Historiker sitzt, verstehen beide die Welt noch nicht besser. Die strenge Evaluation der Verbundprojekte im deutschen Fördersystem – von Sonderforschungsbereichen bis hin zu Exzellenzclustern – hat Standards für Interdisziplinarität gesetzt. Über Prozesse der Entscheidung können wir beispielsweise wirklich nur dann gemeinsam forschen, wenn ein bestimmtes Verständnis für die Methoden und Standards der anderen Disziplin vorhanden ist und man sich daher ein gewisses Maß an aufgrund dessen erarbeiteten Kenntnissen aneignen kann. An dieser Stelle haben die Akademien der Akademienunion, die vor allem geisteswissenschaftliche Forschung betreiben, ein gewisses Nachholbedürfnis. Unsere anregenden internen und externen Dialogformate sind erfreulich, aber reichen nicht. In verschiedenen Feldern brechen die klassischen metadisziplinären Grenzen zusammen, so zum Beispiel in der Archäologie, die längst naturwissenschaftliche Einsichten aus der Genetik und technikwissenschaftliche Einsichten aus der Bodenanalyse integriert hat und sich zu einem disziplinären Hybrid zwischen diesen drei Großbereichen entwickelt. Solche Entwicklungen müssen sich in der Struktur der Akademien besser abbilden. Die entsprechenden problematischen Weichenstellungen im System, die das verhindern. sind teilweise über hundert Jahre alt, ich hoffe sehr, dass wir in der Akademienunion und im Vorstand die Personen zusammen haben, um hier einen deutlichen Schritt nach vorn zu machen – natürlich immer im Geist der guten und vertrauensvollen Kooperation, der unser Wissenschaftssystem insgesamt auszeichnet.


Kontakt

Dr. Annette Schaefgen
Leiterin Berliner Büro
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit


030 / 325 98 73 70
annette.schaefgen@akademienunion.de