Kurz nachgefragt... bei PD Dr. Miriam Haidle
Juni 2021
Was sind die faszinierendsten Aspekte der menschlichen Kulturentwicklung? Wodurch zeichnet sich die Forschungsarbeit im Akademienprogramm aus? Und wie sieht eigentlich die Arbeit einer wissenschaftlichen Koordinatorin in einem Akademienprojekt aus? Darüber sprechen wir mit der Paläoanthropologin Miriam Haidle, die seit über zehn Jahren das Projekt The Role of Culture in Early Expansions of Humans der Heidelberger Akademie der Wissenschaften koordiniert.
Sie sind seit 2008 wissenschaftliche Koordinatorin des Projektes "The Role of Culture in Early Expansions of Humans (ROCEEH)". Wie können wir uns Ihre Arbeit dort vorstellen?
ROCEEH ist ein interdisziplinäres Projekt mit starken kultur- und naturwissenschaftlichen Anteilen, das außerdem kein festgelegtes Korpus bearbeitet. Unsere Aufgabe ist es, die kulturelle Entwicklung der Menschen, deren Bedingungen und Auswirkungen zwischen drei Millionen und 20.000 Jahren vor heute in Afrika und Eurasien zu erforschen. Das Forschungsfeld ist sehr dynamisch, sowohl was die Quellenlage als auch die Methoden betrifft. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist daher die Projektplanung, die Übersicht über den gesamten Projektzeitraum von 20 Jahren und über die gerade laufenden Aktivitäten an den beiden Standorten an der Universität Tübingen und dem Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt/Main zu behalten sowie bestehende Planungen mit Mitarbeitenden und Forschungsstellenleitern an neue Gegebenheiten anzupassen. Neben der laufenden Berichterstattung und Öffentlichkeitsarbeit organisiere ich mit meinen Mitarbeitenden Konferenzen und veröffentliche Forschungsergebnisse. Mein inhaltlicher Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung theoretischer Konzepte und Methoden für die Untersuchung der Entwicklung kognitiver und kultureller Fähigkeiten. Aktuell sind Einblicke in unsere Arbeit in der Ausstellung Menschsein // Die Anfänge unserer Kultur am Archäologischen Museum Frankfurt/Main bis 30. Januar 2022 zu sehen.
Welcher Aspekt der menschlichen Kulturentwicklung fasziniert Sie bis heute?
Zum einen, dass Kultur, also über Generationen weitergegebene Gewohnheiten und Handlungen, nichts exklusiv Menschliches ist und sich doch im Laufe von Jahrmillionen der Menschheitsgeschichte zwar graduell, aber mit enormen Auswirkungen entfaltet hat. Zum zweiten, dass kulturelle Faktoren nicht irgendwann im Leben eines Individuums auf ein biologisches Grundgerüst aufgesetzt werden, sondern die individuelle Entwicklung von Anfang an durchdringen. Und zum dritten, dass zunehmende kulturelle Fähigkeiten die Menschen nicht unabhängiger von ihrer Umwelt gemacht, sondern diese immer tiefer und vielfältiger miteinander verwoben haben.
Das Forschungsvorhaben ist im Moment auch das aktuelle Projekt des Monats – eine Kooperationsinitiative, in der das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Akademienunion monatlich je ein Projekt aus dem Akademienprogramm vorstellen. Wodurch zeichnet sich Ihrer Ansicht nach die Forschungsarbeit im Rahmen des Akademienprogramms aus?
Das Akademienprogramm zeichnet sich durch die außerordentliche Langzeitperspektive aus, die meines Wissens in dieser Form international einmalig ist. Sie erlaubt, jenseits der üblichen Dreijahrestaktung übergreifende Fragen zu stellen, große Datensammlungen in Angriff zu nehmen und damit neue Auswertungsmöglichkeiten auszuloten. Durch die Aufgabe, kulturelles Erbe zu erschließen, bilden die Projekte im Akademienprogramm Kristallisationspunkte für zahlreiche weitere Forschungsprojekte.
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Dr. Annette Schaefgen
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