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Porträt einer Frau
Kurzinterview

Kurz nachgefragt... bei Dr. des. Katharina Gutermuth

Mai 2021

 

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Katharina Gutermuth arbeitet seit über 15 Jahren im Forschungsprojekt Herausgabe der Urkunden Kaiser Friedrichs II. der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Im letzten Jahr ist sie mit zwei Preisen für ihre Arbeit als Wissenschaftlerin ausgezeichnet worden, dem Michael-Doeberl-Preis der Gesellschaft der Münchner Landeshistoriker und dem Akademiepreis der Karl-Thiemig-Stiftung für Nachwuchsförderung. Wir sprechen mit ihr über die veränderten Arbeitsbedingungen im Zuge der Digitalisierung, die Besonderheiten eines Langzeitforschungsprojekts und ihre Zukunftsperspektiven als Preisträgerin.

Sie arbeiten seit über 15 Jahren in dem Projekt „Herausgabe der Urkunden Kaiser Friedrichs II.", zuerst als studentische Hilfskraft und seit 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Wie hat sich Ihre Arbeit in dieser Zeit verändert? Und was überrascht/fasziniert Sie dabei noch heute?

Naturgemäß war ich zu Beginn meiner Tätigkeit für „den Friedrich“ zunächst mit einfachen Aufgaben wie der Vervollständigung von Unterlagen, akribisch auszuführenden Kontrollen von Titelangaben bei Quellen und Literatur oder dem Lektorat einzelner Abschnitte des Skripts beauftragt. Aber schon bald durfte ich eigenverantwortlich kleinere „Sonderkommandos“ bearbeiten, beispielsweise die Suche nach sehr speziellen Vorurkunden, die wir in unserer Edition verzeichnen, oder die Identifizierung bestimmter Personen. Diese – anfangs kleinen, im Laufe der Zeit umso umfangreicheren und inhaltlich tiefgreifenderen – Aufgaben verdichteten sich letztlich zu meinem Arbeitsbereich, der neben einzelnen Editionsschritten auch viel Recherchearbeit umfasst.

Gerade für diesen Teil der Forschung sind in den letzten 15 Jahren durch die immer umfangreichere Digitalisierung von Quellen, Quellenkatalogen und Findbüchern, alten Drucken sowie durch die verbesserten Methoden bei der Volltextsuche in digitalisierten Beständen und bei der Recherche in Bibliothekskatalogen und Archivdatenbanken weltweit die Möglichkeiten enorm erweitert worden. Mir persönlich bereitet es etwa eine ungeheure Freude, jeder noch so kleinen Spur nach weiteren Überlieferungen einer Urkunde – die Edition der Urkunden Kaiser Friedrichs II. wird insgesamt nach Abschluss etwa 2600 Urkunden umfassen – nachzugehen. Und noch großartiger ist es, diese Spuren dann beispielsweise in den Beständen eines kleinen Gemeindearchivs, von dessen Existenz der Großteil der Menschheit nichts weiß, aufzulösen und die Ergebnisse in die Edition einzuarbeiten.

 

Das Projekt „Herausgabe der Urkunden Kaiser Friedrichs II." ist ein Langzeitforschungsprojekt, das im Rahmen des Akademienprogramm gefördert wird. Wo sehen Sie die Potenziale und Besonderheiten von langfristig angelegten Forschungsprojekten, gerade auch im Bereich der Urkundenedition?

Friedrich II. bzw. die Könige des Interregnums sind wohl die letzten mittelalterlichen Herrscher, deren Urkunden-Output überhaupt noch in Gänze bzw. fast umfassend ediert werden kann – zu umfangreich wird die Urkunden-Produktion der Herrscher in den folgenden Jahrhunderten (so sind beispielsweise für die Kaiser Ludwig IV. und Karl IV. etwa 16.000 Urkunden überliefert, die in Auswahl in den Constitutiones-Bänden publiziert werden oder als Regesten-Bände der Regesta Imperii – aufgeteilt nach Archiven – bearbeitet werden). Und bereits für Friedrich II. muss man sich Folgendes vor Augen halten: die Anfänge des Projekts liegen in den 1980er Jahren mit umfangreichen Vorarbeiten zur Materialsammlung; mit der daran anschließenden mehrjährigen Materialsammlung in Archiven in ganz Europa und der seit 2002 erscheinenden – auf 10 Bände ausgelegten, etwa 2600 Einzelnummern umfassenden – Edition wird das Projekt bis zu seinem geplanten Abschluss im Jahr 2034 einen Zeitraum von etwa 50 Jahren umfassen. Ein einzelner Forscher könnte das gar nicht leisten. Umso wichtiger ist es gerade durch langfristig angelegte Förderung eine Perspektive für solche Unternehmen zu schaffen, zum einen hinsichtlich des zu erwartenden zeitlichen Arbeitsaufwandes für ein solches Projekt, zum anderen aber auch durch die notwendige Ausbildung eines Editors. Diese Ausbildung, die verschiedenste Schritte zur Erstellung einer einzelnen Editionsnummer (von der Texterstellung bis hin zur kritischen Kommentierung) sowie die Komposition von Registern und vieles mehr umfasst, nimmt ebenfalls Zeit in Anspruch (ich zitiere einen Kollegen: „Editoren sind wie Wein, je älter [= je länger in der Materie eingearbeitet] desto besser“). Als Mitarbeiter ist man darüber hinaus mit viel Herzblut beim Projekt dabei, „der Friedrich ist Mamas Kaiser“ – wie mein Sohn (9) immer sagt. Umso bedauerlicher ist es, dass gerade auch diese Stellen in den Langzeitforschungsprojekten durch Anstellungen nach den Bestimmungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes in einem Maße beschränkt werden, die sowohl für die Mitarbeiter als auch für die jeweiligen Projekte sehr negative Auswirkungen haben.

 

Sie sind im letzten Jahr mit zwei Preisen für Ihre Arbeit als Wissenschaftlerin ausgezeichnet worden: dem Michael-Doeberl-Preis der Gesellschaft der Münchner Landeshistoriker und dem Akademiepreis der Karl-Thiemig-Stiftung für Nachwuchsförderung, mit dem die Bayerische Akademie der Wissenschaftenbesondere Leistungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszeichnet. Haben Sie durch diese Form der Anerkennung nochmal eine neue Perspektive auf Ihre eigenen Forschungsarbeit, auch für die Zukunft, gewonnen?

Ich habe mich unheimlich über beide Preise gefreut, zeigen sie mir doch, dass meine Forschungen nicht nur für einen kleinen Personenkreis interessant sind. Nein, Editionen bilden schlichtweg die Grundlage für jegliche quellenbasierte Auseinandersetzung mit einer bestimmten Zeit, einer bestimmten Thematik oder bestimmten Personen. Das ist für mich – auch für die Zukunft – die absolute Grundlage für meine Arbeit: ich möchte allen Interessierten die Möglichkeit bieten, sich auf Basis guter und wissenschaftlich einwandfrei bearbeiteter Quellenlage mit den damaligen Gegebenheiten beschäftigen zu können. Wie lange ich das – zumindest in Bezug auf Friedrich II. – noch machen kann, ist allerdings angesichts meiner Anstellung nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz, wodurch ich nicht bis Projektende sondern nur mehr maximal 6 Jahre beim Projekt beschäftigt sein werde, absolut unklar (bei einer Anstellung bis zum Projektende 2034 müsste mein Arbeitgeber mich aufgrund der Gesetzeslage auch nach Abschluss des Projektes weiter beschäftigen). Und an diesen langfristig düsteren Perspektiven in der Forschung ändern leider auch herausragende Leistungen – in meinem Fall sogar dokumentiert durch zwei Wissenschafts-Preise – nichts.


Kontakt

Dr. Annette Schaefgen
Leiterin Berliner Büro
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit


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annette.schaefgen@akademienunion.de