Schon gewusst…. dass Robert Schumann vom „Tischrücken“ begeistert war?
Zum Projekt „Robert Schumanns Poetische Welt"
Zahl der Woche: 40 Jahre ohne Robert
Kurz nachgefragt... bei Prof. Dr. Michael Heinemann
Forschung fürs Notenpult - Musikwissenschaftliche Editionen im Akademienprogramm
Man kennt es vielleicht aus Filmen: Menschen sitzen um einen runden Tisch und legen die Hände darauf. Es ist still, die Spannung steigt. Scheinbar von selbst bewegt sich der Tisch dann im Raum umher, klopft oder schreibt „Antworten“ auf jene Fragen, die man zuvor etwaig präsenten Geistern gestellt hatte. Diese im 19. Jahrhundert verbreitete spiritistische Praxis des „Tischrückens“ war auch als gesellschaftliche Unterhaltung in höheren Bildungsschichten en vogue und dem Hause Schumann nicht fremd. Im Tagebucheintrag vom 24. April 1853 von Robert Schumann heißt es: „Tischrücken bei uns. Wunderbare Erscheinung.“ Welcher Erscheinung genau die Anwesenden gewahr wurden, ist nicht überliefert.
Auf solche und andere auf den ersten Blick überraschend scheinende Einträge stößt man immer wieder in den Tage- und Haushaltbüchern Robert Schumanns. Diese Notizbücher sind eine unerlässliche Quelle bei der Erforschung und Datierung musikalischer Werke. In den frühen Tagebüchern notierte der junge, noch zwischen Dichtung und Musik schwankende Schumann auch Entwürfe zu Prosatexten. Diese Doppelbegabung als Literat und Komponist nimmt das neue Akademieprojekt „Robert Schumanns Poetische Welt“ in den Blick.
„Diese besonders intensive Zeit des Tischrückens 1853 korreliert mit der Fertigstellung und Drucklegung verschiedener Werke, unter anderem der Ouvertüre zu den „Szenen aus Goethes Faust“ und zum Dramatischen Gedicht „Manfred“, beides Werke die in unserem Projekt erforscht und ediert werden“, so Pia Schumacher, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projekts. Suchte sich Schumann Inspiration oder Unterhaltung ausgerechnet aus dem mephistophelischen Geisterreich? „Das Faible für das Tischrücken wird in der Schumann-Belletristik häufig etwas voreilig, aber wissenschaftlich nicht haltbar als Vorbote der späteren geistigen Erkrankung gedeutet“, so die Wissenschaftlerin weiter. „Man sollte es vielmehr im Hinblick auf Schumanns allgemeine Offenheit und Neugierde gegenüber dem Zeitgeist sehen.“
Das genannte Projekt im Akademienprogramm ist ein gemeinsames Vorhaben der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz. Es erschließt editorisch-philologische Grundlagen und bewertet Robert Schumanns literarische und vokalorchestrale Werke rezeptionshistorisch neu. Der gewählte interdisziplinäre Ansatz verbindet Musik- und Literaturwissenschaft sowie Digital Humanities. Die Leipziger Arbeitsstelle des Projekts widmet sich insbesondere der Edition und kontextuellen Erschließung von Schumanns vokalorchestralen Werken der 1840er und frühen 1850er Jahre.