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Kolleg mit Studenten und Professor
Schon gewusst ...?

Schon gewusst ... dass ein Professor im 18. Jahrhundert auch eine Arbeitsagentur war?

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Im März 1752 richtete Graf Hans Ferdinand von Sandraßky ein höfliches Schreiben aus Langenbielau in Schlesien an den renommierten Leipziger Professor Johann Christoph Gottsched. Anlass dafür war sein Sohn, „welcher nunmehro sein siebendes Jahr geändet“, weshalb „jetzo die Zeÿth [kommet] wo ich Ihn zu denen rechten Wißenschaften, ernstlich wolte angewiesen sehen“. Seine ergebenste Bitte an Gottsched laute daher, „mir einen Mann anzurathen, auff welches Hertze ich dieses große Werck getrost legen könte.“

Gottsched (1700–1766), eine der Zentralfiguren der deutschen und europäischen Aufklärung, erhielt öfter Vermittlungsgesuche dieser Art. Absender waren hochgestellte Persönlichkeiten – Schulrektoren, Beamte oder Adlige wie Sandraßky –, die auf der Suche nach geeignetem Personal den Empfehlungen Gottscheds vertrauten. Auf der anderen Seite wandten sich Hochschulabsolventen auf Stellensuche an den vielvermögenden Organisator Gottsched. Eine persönliche Empfehlung einer solchen arrivierten und gut vernetzten Persönlichkeit war für sie ein wichtiges symbolisches Kapital, um Zugang zu einer begehrten Stelle als Hauslehrer oder Hofmeister zu bekommen. Eine solche war die typische Karrierestartposition für junge Akademiker.

 „Dieser Weg führte häufig zum Erfolg, wie die Briefe zeigen“, sagt Dr. Rüdiger Otto, Arbeitsstellenleiter des Editionsvorhabens Johann Christoph und Luise Adelgunde Victorie Gottsched: Briefwechsel. Ein Korrespondenznetzwerk im Zeitalter der Aufklärung. Historisch-kritische Ausgabe an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. „Die Korrespondenz enthält Informationen über die Anbahnung und die Konditionen der Anstellung. Man findet aber auch Klagen über die Bedingungen vor Ort – oder über die Unbotmäßigkeit des neuen Hausangestellten. So ergeben sich Einblicke in individuelle Erwartungen und gesellschaftliche Normen der damaligen Zeit, die“, so Otto, „an anderer Stelle kaum so verdichtet zu finden sind. Die Stellenvermittlung ist nur ein kleines Beispiel dafür, welche Erkenntnisse sich aus der breit angelegten Erschließung von historischen Briefen ziehen lassen.“

Ziel des im Jahr 2000 begonnenen Editions-Vorhabens im Akademienprogramm ist es, den gesamten Briefnachlass des Ehepaars Gottsched als historisch-kritische Ausgabe gründlich kommentiert herauszugeben. Dabei handelt es sich um mehr als 4.700 Schreiben, die in der Universitätsbibliothek Leipzig aufbewahrt werden. Außerhalb der Bibliothek konnten bisher über 1.000 Briefe ermittelt werden, die ebenfalls Eingang finden.  Insgesamt 31 Bände sind geplant. Geleitet wird das Projekt von Prof. Dr. Manfred Rudersdorf.

Kontakt

Sebastian Zwies
Leiter Koordinierung
Akademienprogramm

 

06131 / 218 528 17
sebastian.zwies@akademienunion.de