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Projekt des Monats

Juli | Gut eingespielt: die Erich Wolfgang Korngold Werkausgabe (EWK-WA)

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Erich Wolfgang Korngold auf Schott Music

Kurz nachgefragt ... Prof. Dr. Friederike Wißmann und Prof. Dr. Arne Stollberg

#Inside Akademie Interview

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Sie ist eine von vier musikwissenschaftlichen Editionen zu einem Komponisten des 20. Jahrhunderts innerhalb des Akademienprogramms: die Erich Wolfgang Korngold Werkausgabe (EWK-WA). Was macht die Korngold-Edition so besonders?

Im Interview: Prof. Friederike Wißmann und Prof. Arne Stollberg, die seit 2021 das auf 25 Jahre angelegte Akademienvorhaben der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften und Literatur | Mainz leiten.

Warum Korngold?

Stollberg: Erich Wolfgang Korngold zählt zu den interessantesten Komponisten der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts – er ist ein großartiger Komponist, der lange Zeit sträflich vernachlässigt, ja, fast vergessen war. Jetzt ist er wieder ins Repertoire zurückgekehrt. Seine Musik verdient es, wissenschaftlich so aufbereitet zu werden, dass für die Praxis gute, zuverlässige Editionen zur Verfügung stehen, aus denen seine Musik weitergespielt werden kann.

Wißmann: Auch der historische Kontext von Erich Wolfgang Korngold ist hochspannend, nicht nur seine Biografie – Korngold war jüdischer Herkunft –, sondern auch tatsächlich seine Musik. Korngold ist tonal geblieben im 20. Jahrhundert – aber er vervollständigt, so glauben Arne Stollberg und ich, ein Bild der Moderne, das über lange Jahrzehnte schlagseitig interpretiert wurde.

Stollberg: Hinzu kommt, dass Korngold Filmmusiken geschrieben hat für Hollywood. Das heißt, wir haben bei ihm auch eine Verwischung der Grenze zwischen U und E, sofern diese Kategorien überhaupt sinnvoll sind. Aber im deutschen Raum gibt es sie nun mal, die sogenannte „klassische“ und die sogenannte „populäre“ Musik. Und bei Korngold fließt das auf eine interessante Weise ineinander. Auch das macht ihn als „Gegenstand“ für ein Akademienprojekt sehr reizvoll.

Wißmann: Wir finden es richtig, dass ein so brillanter Komponist durch die Aufnahme ins Akademienprogramm eine Werkausgabe erhält und damit Würdigung erfährt.

Wie kam es dazu, dass Sie beide dieses Akademienprojekt zusammen durchführen?

Wißmann: Es gab zwar verschiedene Anläufe eine Werkausgabe zu installieren, aber dann trafen Arne Stollberg und ich zusammen und haben uns kongenial ergänzt. Wir dachten uns, mit diesem geballten Engagement könnte es gehen – und so ist es auch.

Stollberg: Ja, eine glückliche Kombination, die sich sehr bewährt. Wir bringen unterschiedliche Kompetenzen ein: Friederike Wißmann editorische Erfahrungen aus der Hanns Eisler Gesamtausgabe, und ich habe mich schon lange intensiv mit Korngold beschäftigt, schreibend, forschend. Dass wir diese Edition zusammen machen, ist in jeder Hinsicht eine sehr gute Sache.

Wofür braucht es eine Neuedition von Korngolds Werken? Und was ist das Besondere daran?

Wißmann: Eine wissenschaftliche Edition zu Erich Wolfgang Korngold ist eine besondere Herausforderung. Erstens, weil Korngolds Werke bislang nur in zum Teil mangelhaften Editionen vorliegen. Zweitens, weil wir davon überzeugt sind, dass wir Noten edieren, die Musikerinnen und Musikern Spaß bereiten, und drittens, weil wir noch mal ein anderes, ein substantielles Bild von Korngold geben können. Die größte Herausforderung ist der von Arne Stollberg angesprochene Gattungstransfer. Wir geben die Filmmusik in einer wissenschaftlichen Edition heraus. Das ist sozusagen unser Labor! Hier haben wir Raum für viele Diskussionen, bringen ganz viel Kreativität und Potenzial aus allen Bereichen zusammen – und arbeiten kollaborativ.

Stollberg: Wir erarbeiten eine hybride Ausgabe, also eine Kombination aus gedruckten Bänden mit den entsprechenden Noten, den Partituren, und digitalen Bestandteilen auf einer Onlineplattform, zum Beispiel Digitalisaten der Quellen, der Autographe usw. Wir stehen hier noch am Anfang, aber relativ bald wird die Plattform im Internet zu finden sein. Durch diese Kombination aus Edition und Onlineplattform lässt sich mit ein paar Klicks und auf den Takt genau vergleichen, wie die Quellen aussehen und wie wir das im Notentext abbilden. Unsere Entscheidungen werden dadurch transparent. Und wir haben dann ein wirklich schönes Universum an Korngold-Quellen, durch die man navigieren kann. Wir setzen alles Stück für Stück zusammen.

Wißmann: Jeder Band umfasst ein Werk oder mehrere Werke derselben Gattung und jeder Band beinhaltet ein Vorwort, das auch die Entstehungsgeschichte parat hält. Selbst als Projektleiter und -leiterin sind wir immer wieder überrascht, wie viel Neues es noch zu entdecken gibt, über die Biografie, über die historischen Kontexte, die Werke und ihre Fassungen.

Stollberg: Hier und da taucht tatsächlich noch ein neues Werk auf, zwar keine bisher unbekannte Oper, aber dafür ein sehr lustiges Klavierstück, „Drei Generationen“ betitelt, eine augenzwinkernd-private, aber dennoch ernst zu nehmende, interessante Komposition für Klavier zu acht Händen. Wir edieren auch zum ersten Mal einige ganz frühe Klavierstücke. Korngold war ein musikalisches Wunderkind – und es befinden sich etliche kleine Klavierstücke im Nachlass, die noch gar nicht publiziert sind. Das wird zum ersten Mal jetzt durch uns geschehen. Wir wollen in erster Linie sorgfältig edierte Notentexte für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellen – und natürlich auch weitere Forschung initiieren. Wir wollen Anlaufstelle sein für Personen, die sich für Korngold interessieren, die wissenschaftlich damit arbeiten wollen. Wir verstehen uns als Multiplikator in die Öffentlichkeit und die Wissenschaft hinein.

Was kann Ihre Edition für die musikalische Praxis leisten?

Wißmann: Seit das Korngold-Projekt an unserer Hochschule in Rostock ist, höre ich das Violinkonzert zunehmend als Examensstück. Mit unserer Edition lenken wir natürlich auch Aufmerksamkeit. Eigentlich müsste das gar nicht sein, weil der Komponist ohnehin durch die zahlreichen Aufführungen im Licht allgemeinen Interesses steht. Aber mit der Edition gibt es nochmals einen Anreiz, dass man Stücke mit einem schönen, substantiellen Notentext zur Verfügung gestellt bekommt. Das Violinkonzert, das wir als einen der ersten Bände edieren, ist natürlich ein Stück, das sehr viel gespielt wird. Aber parallel entstehen auch die Lieder von Erich Wolfgang Korngold in einer Edition. Die Kolleginnen und Kollegen fragen uns schon: Wann ist das Erscheinungsdatum? Und wer wird diese Lieder singen? Wir führen auch Workshop-Konzerte durch, um uns zusammen mit Musikerinnen und Musikern über die Notentexte auszutauschen. Es macht wahnsinnig Spaß diese konkret einzubeziehen und zu hören, ob bestimmte Stellen realisierbar sind: „Ist das machbar im Aufstrich?“

Stollberg: Im November wird Kirill Petrenko mit den Berliner Philharmonikern das Violinkonzert aufführen und auf USA-Tournee mitnehmen. Und Petrenko ist ein Dirigent, der sich wirklich sehr für philologische Fragen interessiert. Schon als er die „Tote Stadt“, Korngolds bekannteste Oper, in München dirigiert hat, gab es erste Rückfragen. Er hat sich das Autograph angeschaut, fragte, ist das hier so gemeint? Ist das Korngolds Handschrift? Wenn jemand wie Petrenko sich dafür interessiert, gibt das natürlich noch mal mehr Publizität. Und dass er Korngolds Violinkonzert auf einer USA-Tournee präsentiert, ist sehr schön. Korngold ist jetzt wirklich „worldwide“ angekommen!

Wißmann: Korngold hat es in Amerika per se leichter gehabt als in Europa. Er hat in Europa große Enttäuschungen erlebt, gerade als er versucht hat zurückzukommen und in Europa nicht reüssierte wie erhofft. Umso schöner ist es, wenn jetzt – quasi andersherum - ein Impuls von Europa nach Amerika geht!

Herzlichen Dank Ihnen beiden für das ausführliche und praxisnahe Interview!

 

Katrin Schlotter


Kontakt

Sebastian Zwies
Leiter Koordinierung
Akademienprogramm

 

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