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Projekt des Monats

August | Unvergessliche Klangwelten: das Werk von Felix Mendelssohn Bartholdy

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Ob in London, New York oder im Gewandhaus zu Leipzig – weltweit erklingen die großen Komponisten deutschsprachiger Länder. Um die „Meister“ der Musik aufzuführen, beziehen sich Künstlerinnen und Künstler auf wissenschaftlich erarbeitete Musikeditionen. Eine davon ist die „Leipziger Ausgabe der Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy“ der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig.

Musik als universelle Sprache verbindet Menschen auf der ganzen Welt. Kein Wunder, dass sage und schreibe 21 Projekte des Akademienprogramms die Werke deutschsprachiger Komponisten sammeln und edieren. Seit 1992 erarbeitet die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig die Leipziger Ausgabe der Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy – und hilft damit, Mendelssohns umfangreiches Werk in all seinen Facetten und Fassungen auf den Konzertbühnen der Welt erklingen zu lassen.

In seiner kurzen Lebenszeit war Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) überaus kreativ und produktiv: Er war Komponist, Dirigent, Pianist und Organist, gründete als Leipzigs Gewandhausdirektor das erste deutsche Conservatorium (1843). Er bereiste zahlreiche Länder Europas, insbesondere England. Schon zu Lebzeiten hat er Konzerthäuser gefüllt, Musikliebhaber begeistert und eine große Fangemeinde um sich geschart. Sein Werk reicht von Jugendsinfonien und Kammermusik über Orchesterstücke und Oratorien bis zum reichen Lied-Œuvre, dem Orgel- und Klavierwerk der Fugen und subtilen Miniaturen („Lieder ohne Worte“). Und doch gab es lange Zeit keine Gesamtausgabe seiner Werke.

Gut 40 Notenbände bereits erschienen

Dank des Akademieprojekts fließen Kompositionen, Briefe, Tagebücher und Schriften sowie die bildnerischen Werke des Mendelssohn’schen künstlerischen Schaffens zu einer historisch-kritischen Gesamtausgabe zusammen, auch ein Werkverzeichnis liegt nun vor. Die Mendelssohn-Edition, die bei Breitkopf & Härtel erscheint, beinhaltet nicht nur die fertigen Kompositionen mit all ihren Fassungen, sondern auch die Dokumente ihres Entstehungsprozesses, also Skizzen, Entwürfe sowie Fragmente von unabgeschlossenen Kompositionen. Die Edition dient sowohl der Forschung als auch der Musikpraxis. Die ersten Bände kamen 1997 heraus, mittlerweile ist gut die Hälfte der 80 geplanten Notenbände erschienen. Passend zum 200. Todestag von Mendelssohn Bartholdy im Jahr 2047 soll das Akademie-Werk vollbracht sein.

Neues entwickeln ohne das Alte zu vergessen

„Das Besondere an Felix Mendelssohn Bartholdy ist sein breiter Blick sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft. Er war ein wahrer Erneuerer der Gattungen, die damals üblich waren“, betont Prof. Dr. Christian Martin Schmidt, Professor i. R. für Musikwissenschaft an der Technischen Universität Berlin und Projektleiter des Akademieprojektes. „Er hat zum Beispiel Orgelmusik und das Oratorium wiederbelebt, überdies hat er zwei Gattungen gänzlich neu erfunden: Lieder ohne Worte für Klavier und Konzertouvertüren. Mendelssohn Bartholdy hat nach vorne geschaut, sich aber dennoch der Alten Musik, namentlich der von J. S. Bach, verpflichtet gefühlt“.

Werkverzeichnis mit 750 statt 350 Kompositionen

Erstaunlich ist, dass es bis 2009 auch kein vollständiges Werkverzeichnis zu Felix Mendelssohn Bartholdy gab. Nach mehr als fünfzehnjährigen Vorarbeiten und weltweiten Recherchen, bei denen Material aus mehr als 1.500 Bibliotheken, 15.000 Auktionskatalogen und ca. 12.000 Briefdokumenten ausgewertet werden konnte, war es soweit: Arbeitsstellenleiter Dr. Ralf Wehner legte das erste thematisch-systematische Verzeichnis der musikalischen Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy vor. Statt der bis dato bekannten 350 Werke listet das Verzeichnis 750 Kompositionen Mendelssohns auf und ermöglicht so einen neuen Blick auf sein Schaffen.  

Oratorium „Elias“ bei den Mendelssohn-Festtagen

Von den 750 Kompositionen, die Mendelssohn der Nachwelt hinterließ, gilt das Oratorium „Elias“ –neben der 1836 entstandenen Schwesterkomposition „Paulus“ – als sein Hauptwerk. Es thematisiert die biblische Geschichte des alttestamentarischen Propheten, eingebettet in „recht dicke, schwere und volle Chöre“ mit Hunderten von Sängern. „Elias ist das bedeutendste Werk der Gattung Oratorium im 19. Jahrhundert“, so Schmidt. „Es dauerte Jahre, bis Mendelssohn den Elias vollendet hatte“. Am 26. August 1846 wurde das Werk im Rahmen des Birmingham Musical Festivals uraufgeführt – also vor 175 Jahren. Mit großem Erfolg – der englische Königshof feierte Mendelssohn als „Elias der neuen Kunst“.

Zum 175. Jubiläum der Uraufführung wird der Elias bei den Mendelssohn-Festtagen vom 31. Oktober bis 10. November 2021 im Gewandhaus zu Leipzig aufgeführt, dirigiert von Mendelssohns jüngstem Nachfolger im Amt, Andris Nelsons – und zwar wohl nach der vom Akademieprojekt edierten Fassung.

Für die Zukunft bewahren

Dass allein das „Elias“-Projekt insgesamt fünf gewichtige Bände umfasst, hat einen guten Grund: Nach der Uraufführung überarbeitete Mendelssohn das Oratorium mehrfach, ganze Nummern entfielen und neue kamen hinzu. Mendelssohn war ein äußerst selbstkritischer Komponist, der viele Pläne verwarf, zahlreiche Werke nicht beendete, immer wieder bearbeitete. Auch vor Veröffentlichungen scheute er oft genug zurück und äußerte einmal: „Ich habe einen heillosen Respect vor dem Druck, ich muß darum so lange an meinen Sachen corrigiren, bis ich’s nicht mehr besser zu machen weiß.“

Genau das bedeutet für die Editoren unfassbar viel Arbeit. „Die Frühfassung des Elias hat sogar mehr Sätze als die Endfassung, dazu gibt es noch 120 Seiten für Skizzen“, sagt Schmidt. Nachdem er und sein Team über Jahre die Quellen aus allen Teilen der Welt zusammengetragen haben, beschreiben sie deren äußere Beschaffenheit und vergleichen den Inhalt, benennen alle Korrekturen und erklären, was und warum sie etwas verändert haben. Erst dann gehen die Notenbände in den Druck. „Von der Anfangskonzeption hin zum fertigen Werk können wir nun sämtliche Entwicklungsstadien nachvollziehen“, freut sich Schmidt, „und es gibt viele Dirigenten, die sich sehr dafür interessieren!“

Nicht zuletzt ist für Schmidt eines gewiss: „Wenn man Noten ediert, vor allem von Stücken, die – wie der Elias – zuvor nicht angemessen ediert waren, dann wissen wir, dass sie noch in 100 Jahren gespielt werden“. Ganz im Sinne von Felix Mendelssohn Bartholdy blickt auch das Akademieprojekt zurück, um Altes zu bewahren und Neues zu erschaffen.

Katrin Schlotter


Kontakt

Sebastian Zwies
Leiter Koordinierung
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